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Leseprobe aus "Kraniche im Ruderflug"
Anthologien des Leipziger Textatelier
 

Leseprobe aus "Kraniche im Ruderflug"

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... Seine Hand umklammert das Lenkrad. Der Asphalt ist glitschig.
Er muss sich konzentrieren, die Landstraße, die er damals so oft gefahren war,
ist ihm fremd geworden.

Dichter Nebel jetzt.

„Weißt du noch wie wir die Geldscheine im Stoff der Sitzpolster versteckt
hatten?“

Natürlich weiß er. So etwas vergisst man nicht.

„… lange Autoschlangen vor dem Kontrollpunkt. Als wir endlich heranrollen durften
und dem Beamten die Ausweise in das Fenster reichten, angstvolles Warten, bangende Minuten.
Ein Grenzpolizist winkte uns zur Seite, wir mussten aussteigen.

Warum wurden gerade wir immer kontrolliert?“

Sie hat den ganzen Tag noch nicht so viel geredet, wie gerade jetzt:
Vielleicht will sie ihn wach halten,
vielleicht sind wirklich so viele Gedanken in ihrem Kopf, vielleicht …

„Weißt du noch?“

Plötzlich spricht sie, als hätte sie etwas im Hals, als sitze dort etwas fest,
als müsse sie auf dieses Etwas lauschen, das in der Kehle klemmt:

„Weißt du noch, wie sie dich einmal mit ins Kontrollhäuschen nahmen?
Es war weit nach Mitternacht. 
Ich blieb starr und unbeweglich im Auto sitzen, schaute zu dem schwach erleuchteten Fenster
der Baracke, in der du verschwunden warst. In meinem Rücken war es mir als
knisterten die Geldscheine unter dem Stoff des Sitzes.

Dunkelheit. Stille. Nur der Himmel schien zu rauschen, weil man die
Bäume nicht sah. Die Minuten kamen mir wie Stunden vor.“

Natürlich weiß er.

Was sie nicht weiß, dass er in die Polster der Autositze das Manuskript
seines Vaters eingenäht hatte ...



 

 



 

 

 

 

 

 

 
Schreiben ist ein Weg, von der Oberfläche der Dinge wegzukommen, ein Weg des Entdeckens und Verstehens.
R. Duncan